Aus sicheren Quellen

Audio-/ Videoinstallation
(4 Monitore, 1 Videoprojektion, 2 Aktivboxen),
HDV (Text + Ton)
2013
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Installationsansichten während der Diplomausstellung, Hochschule für Grafik u. Buchkunst, Leipzig, 2013

Aus sicheren Quellen ist eine mehrteilige Audio- und Videoinstallation, die sich mit einer in den Massenmedien allgegenwärtigen Rhetorik der Krise beschäftigt. In diesem Zusammenhang wird eine Betrachtersituation im Raum entworfen, die versucht diesen öffentlich-medialen „Krisensprech“ aufzuschlüsseln und dadurch in ein Verhältnis zu individuellen Erfahrungswelten der Betrachter zu setzen.

Das Verständnis, von dem was eine Krise ausmacht, hat sich seit der Antike grundlegend gewandelt. War eine Krise in ihrer ursprünglichen Bedeutung eine zeitlich begrenzte, problematische Entscheidungssituation, die mit einem Wendepunkt verknüpft war, so ist sie heute gerade in ihrer medialen Wahrnehmung zu einem nicht enden wollenden Dauerzustand geworden. Zum einen kann dies in Zeiten eines Informationsüberschusses durch das Internet mit der Tatsache begründet werden, dass es immer schwieriger wird Nachrichten erfolgreich abzusetzen - „Only bad news are good news“. Doch kann das Gefühl einer grundlegende Krisenhaftigkeit auch als Folgeerscheinung der Moderne insgesamt verstanden werden, wie der Soziologe Armin Nassehi feststellt:

"Die zentralen Instanzen der Gesellschaft wie Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Religion, Kunst und Bildung entwickeln völlig unterschiedliche interne Logiken, Erfolgsbedingungen, Reflexionstheorien, Erwartungsstile und Funktionen und werden einerseits unabhängiger voneinander, andererseits bleiben sie stets krisenhaft, weil nicht wirklich mit Passung aufeinander bezogen. (…). Die Moderne ist letztlich unregierbar – und das gilt als Erfahrung komplexer gesellschaftlicher Bereiche ebenso wie für die individuelle Lebensführung.“ Armin Nassehi: Der Ausnahmezustand als Normalfall – Modernität als Krise, Kursbuch 170. Krisen lieben, S.38 – 40, Murmann Verlag, Hamburg, 2012

Giorgio Agamben sieht in dieser Grunderfahrung moderner Gesellschaften des Weiteren sogar den Grundstein für eine Entwicklung gelegt, in der die „Dauerkrise“ letztendlich zu einem Herrschaftsinstrument wird, einem stetigen Drohszenario, das die Menschen in höchster Schlagzahl am Laufen hält, währenddessen Entscheidungen ohne vorangehende Debatte an den Bürgern vorbei getroffen werden können. Die zentrale Funktion der Vermittlung eines solchen Gefühls dauerhafter Krisenhaftigkeit übernimmt dabei eine über die Massenmedien verbreitete Krisenrhetorik, die einer subtilen Doppelbotschaft folgt: Einerseits scheinbar beruhigend auf die Menschen einzuwirken, andererseits stets eine untergründige Bedrohung aufrecht zu erhalten.
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Betritt der Rezipient nun die Installation Aus sicheren Quellen findet er sich plötzlich in Mitten eines Environments aus Texten dieser medialen Krisenrhetorik wieder. Auf vier im Raum angeordneten Bildschirmen, sowie auf einer wandgroßen Videoprojektion, sind verschiedene Textfragmente zu lesen, die die Bildfläche mal langsam wie auf einem Telepromter durchlaufen, mal signalhaft in kurzen Abständen auf- und ableuchten. Die ausgestrahlten Texte werden stets von einem in der Tonhöhe individuellen Signalton begleitet, der auf das soeben kommunizierte zusätzlich aufmerksam macht. In ihrer Gesamtheit ergeben die von den Bildschirmen abgegebenen Klänge so gemeinsam ein zufällig-rhythmisches Miteinander, das die Textbeiträge inhaltlich zueinander in Beziehung treten lässt und die Installation als Ganzes in eine betont beruhigende und zugleich alarmierende Atmosphäre taucht. Unterstützt wird diese Wirkung durch einen Wechsel der Lichtstimmung im Raum: Durch das wiederholte Überblenden der Textprojektion von weißer Schrift auf schwarzem Grund zu schwarzer Schrift auf weißem Grund wird der gesamte Raum mal hell erleuchtet, mal völlig abgedunkelt.

Grundlage für die in der Installation zu lesenden Texte sind Formulierungen und Zitate aus der aktuellen-medialen Berichterstattung zu derzeit in der Öffentlichkeit thematisierten Krisen wie Bankenkrise, Staatsschuldenkrise, „Rücktrittskrisen“ oder parteipolitische Krisen. Aus ihren konkreten Zusammenhängen herausgelöst und von allen spezifischen Inhalten entleert, repräsentieren sie in Aus sicheren Quellen jedoch nur noch die rhetorischen Hülle ihrer selbst. Jede Bildfläche übernimmt darüber hinaus die Rolle eines charakteristischen Medienformats des sprachlichen Umgangs mit Krisensituationen: Auf einem der Bildschirme werden in einer präsidialen Rede lobende und mahnende Worte an den Betrachter gerichtet, auf einem anderen Bildschirm wird in einer Stellungnahme alle Schuld an möglichen Problemen zurückgewiesen und verdrängt, auf zwei sich gegenüberstehenden Monitoren findet ein Expertentalk statt, in dem auf der einen Seite Fragen zum Grund der Krise auf der anderen Seite souverän mit Lösungsvorschläge und Handlungsanweisungen beantwortet werden. Schließlich blenden, auf eine Wand im Raum groß projiziert, Schlagzeilen langsam ein- und aus, die das in der Installation Kommunizierte noch einmal aus einer journalistischen Warte pointiert zusammenfassen.

Ein krisenhaftes Problem steht somit im Raum; was dieses krisenhafte Moment jedoch konkret ist, bleibt zunächst im Unklaren. Der Betrachter sieht sich in eine räumliche Situation geworfen, in der er ein scheinbar geschlossenes System beim Kommunizieren beobachtet, sich aber durch die Allgemeinheit der Aussagen mehr und mehr dazu veranlasst sieht, sich selbst in die vorliegende Krisenproblematik hineinzuassoziieren. Die öffentlich-mediale Krisenrhetorik kann auf diese Weise durch die Betrachter zu einer inneren Rede umfunktioniert werden, die dazu herausfordert emotional gefüllt zu werden. Die zu Beginn geschilderte doppelbödige Ideologie der Krisenrhetorik wird zu einem Sinnbild für eine der Sprache eigenen Ambivalenz im Umgang mit persönlichen Krisensituationen: Sprache einerseits als Medium das gerade in einer gewissen Formelhaftigkeit die notwendige Distanz zu den Dingen herstellen kann und als Schutz gegen die äußere Realität fungiert, andererseits aber zur Ideologie erstarrt zu einem Druckmittel, zum Krisenverstärker wird, der kreatives Entwicklungspotential und damit eine Überwindung der Krise verhindert.

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